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Eckpunkte für ein Wohnbaubeschleunigungsgesetz

06.04.2016 – Die Arbeitsgemeinschaft Barrierefreiheit hat zu Eckpunkten für ein Wohnbaubeschleunigungsgesetz an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann geschrieben.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,

wir sind empört über die Versuche zur Aushebelung des Prinzips Barrierefreiheit im Wohnungsbau durch Wohnungswirtschaft und Kommunale Spitzenverbände in Baden-Württemberg. Entsprechende Formulierungen finden sich in einem Entwurf eines Wohnungsbaubeschleunigungsgesetzes für Baden-Württemberg.

Durch den demografischen Wandel wird in Zukunft erheblich mehr und nicht weniger barrierefreier Wohnraum benötigt. Für Menschen mit Behinderung ist es zur Zeit kaum möglich, bezahlbare Wohnungen zu finden. Wir fühlen uns durch solche Vorschläge diskriminiert.

Es wäre eine Bankrotterklärung an den gesellschaftlichen Fortschritt insbesondere für Menschen mit Behinderung, der seit Verabschiedung des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes bis hin zur letzten Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes in Baden-Württemberg erreicht werden konnte.

Jegliche „Flexibilisierung der Barrierefreiheit” durch Relativierung des § 35 Landesbauordnung halten wir für einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes sowie gegen die UN-Behindertenrechtskonvention und lehnen dies deshalb strikt ab.

Wir fordern Sie, Herr Ministerpräsident, die Landesregierung Baden-Württemberg sowie die beteiligten Akteure inklusive der politisch Verantwortlichen auf, solche Überlegungen von vornherein außer Betracht zu ziehen und diesen Vorschlägen energisch entgegenzutreten.

Wir betonen gleichzeitig, dass wir FÜR die Schaffung bezahlbarer und barrierefreier Wohnungen und FÜR die längst überfällige Reaktivierung und Förderung des sozialen Wohnungsbaus eintreten. Den Aufbau einer Willkommenskultur für Flüchtlinge ist für uns menschenrechtlich ebenfalls geboten. Und wir unterstreichen bereits gemachte Vorschläge, die im wesentlichen für die Schaffung neuer bezahlbarer Wohnungen für ALLE eintreten, die also zunächst auch von Flüchtlingen genutzt werden können, später dann für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden sollen. Den regelmäßigen Verweis auf fehlende finanzielle Ressourcen wenn es um wichtige soziale Infrastrukturmaßnahmen geht halten wir angesichts der bestehenden Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen für nicht nachvollziehbar. Dies um so mehr, wenn durch Vorschläge an anderer Stelle Mehrausgaben entstehen, z. B. durch die Unterbringung von Menschen in Pflegeeinrichtungen, weil sie wegen fehlender Barrierefreiheit nicht mehr in ihrem angestammten Wohnraum klarkommen.

Wir und die Menschen mit Behinderung in unserem Netzwerk lehnen es ab, die Fortschritte bei der Barrierefreiheit und beim Brandschutz auf dem Altar wohnungswirtschaftlicher und vermeintlicher Sparzwangideologien zu opfern.

Wir bitten Sie deshalb, die Teilhabe von Menschen mit Behinderung weiter auszubauen statt diese einzuschränken. Erteilen Sie bitte deshalb den „Eckpunkten für ein Wohnungsbaubeschleunigungsgesetzes” in dieser Form eine klare Absage.

Wir bitten um Ihre Unterstützung und freuen uns auf Ihre Antwort, die uns sehr interessiert.

Mit freundlichen Grüßen

AG Barrierefreiheit im Auftrag