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Schienenersatzverkehr für die Riedbahn-Strecke der DB – wie steht es um die Barrierefreiheit des Angebots?

Am 16. Juli 2024, dem ersten vollen Betriebstag des Schienenersatzverkehrs (SEV) der DB für die Riedbahn-Strecke, war unser Verkehrsexperte Bernd Kittendorf mit seiner Frau Claudia Kittendorf-Wolf vor Ort und hat sich das Angebot mit Blick auf die Barrierefreiheit an zwei Stellen für die Arbeitsgemeinschaft Barrierefreiheit Rhein-Neckar angeschaut: in Mannheim am Hbf und in Mannheim an der Haltestelle Luzenberg.

In seinem Bericht führt Bernd aus: “Die SEV Haltestelle Waldhof“ gehört eigentlich dazu, war aber auf direktem Weg für mich im Rollstuhl natürlich nicht erreichbar. Zu beiden besuchten Stellen hatte ich mich bereits im Zusammenhang mit dem Ersatzverkehr im Januar 2024 im Plenum geäußert und auch die DB angeschrieben. Eine weitere Anfrage vor ein paar Wochen blieb bisher ohne Antwort.

An beiden besuchten Stellen ist der Einstieg für Menschen im Rollstuhl derzeit in die neue Ersatzbus-Flotte nicht gegeben. Barrierefrei sind somit bereits die ersten beiden Haltestellen für uns nicht. In Mannheim Luzenberg wurde von der RNV (als dem örtlichen Verkehrsbetrieb) ein Bussteig namens G bereit gestellt, der an keiner Seite eine Absenkung aufweist(siehe Bilder DB-SEV-Riedbahn_3194.JPG, DB-SEV-Riedbahn_3195.JPG und DB-SEV-Riedbahn_3196.JPG).

Foto vom Bussteig ohne Absenkung am Bahnhof Mannheim-Luzenberg -

Bussteig ohne Absenkung am Bahnhof Mannheim-Luzenberg – Bild „Riedbahn_3194.JPG“ – Foto: Bernd Kittendorf

Detailfoto Bussteig ohne Absenkung am Bahnhof Mannheim-Luzenberg -

Detail Bussteig ohne Absenkung am Bahnhof Mannheim-Luzenberg – Bild „Riedbahn_3194.JPG“ – Foto: Bernd Kittendorf

Weiteres Detailfoto vom Bussteig ohne Absenkung am Bahnhof Mannheim-Luzenberg

Weiteres Detailfoto vom Bussteig ohne Absenkung am Bahnhof Mannheim-Luzenberg – Bild „Riedbahn_3194.JPG“ – Foto: Bernd Kittendorf

Der Bussteig ist folglich für Menschen im Rollstuhl gar nicht oder nur mit Erschwernissen zugänglich. Dies ist die Stelle, an der an Werktagen tagsüber alle SEV-Busse der DB Regio in nördlicher Richtung abfahren, weil der Hbf ja nicht von diesen Bussen bedient wird. Von der Höhe her ist der – unzugängliche – Bussteig übrigens ebenfalls nicht barrierefrei, ein spurführendes Busbord für besseres Anfahren der Kante ist nicht vorhanden. Ein taktiles Boden-Leitsystem für Blinde auch nicht. Für den Einstieg in die Busse sind Kneeling (die seitliche Absenkung) und der Einsatz der Klapprampe nötig. Gerade anfahren für möglichst kleinen horizontalen Abstand, ein anderer wichtiger Teilaspekt barrierefreier Haltepositionen, ist mit den eingesetzten Gelenkbussen nicht einfach (siehe Bild DB-SEV-Riedbahn_3208.JPG).

Foto von einm Gelenkbus für den Schienenersatzverkehr auf DB-Riedbahnstrecke

Eingesetzter Gelenkbus für den Schienenersatzverkehr auf der Riedbahnstrecke der DB in Mannheim – Bild DB-SEV-Riedbahn_3208.JPG – Foto: Bernd Kittendorf

Es gibt einen neu aufgestellten Fahrgastunterstand mit einer Stufe; wäre der Bussteig im Rollstuhl zugänglich, der Fahrgastunterstand wäre es dann noch immer nicht (siehe Bild DB-SEV-Riedbahn_3215.JPG). Für Vertreter aus Organisationen von Menschen mit Behinderungen stellt sich die Frage: wie kann die Bestellungen von solchem Quatsch bei der DB durchrutschen?

Foto von einem nicht barrierefreien Fahrgastunterstand auf der Riedbahnstrecke der DB in Mannheim.

Nicht barrierefreier Fahrgastunterstand auf der Riedbahnstrecke der DB für den Schienenersatzverkehr in Mannheim – Bild DB-SEV-Riedbahn_3215.JPG – Foto: Bernd Kittendorf

In Mannheim am Hbf halten diese Busse nur in Tagesrandzeiten. Der Zustieg in diese Niederflurbusse erfolgt ohne einen erhöhten Bussteig vom Straßenniveau. Das ist auch mit Kneeling zu steil und überdies für die Menschen im Rollstuhl gefährlich. Der Fahrgastunterstand ist ein anderer Typ und ebenfalls nur mit einer Stufe zugänglich (siehe Bild DB-SEV-Riedbahn_3187.JPG). Die Fahrgastinfo auf www.bahnhof.de bezeichnet den Weg zur Haltestelle als nicht barrierefrei; der ‚markierte‘ Weg führt unnötigerweise und leicht vermeidbar über eine Stufe.

Foto von einem nicht barrierefreien Fahrgastunterstand der Deutschen Bahn AG auf der Riedbahnstrecke für den Schienenersatzverkehr.

Nicht barrierefreier Fahrgastunterstand der Deutschen Bahn AG auf der Riedbahnstrecke für den Schienenersatzverkehr in Mannheim – Bild DB-SEV-Riedbahn_3187.JPG – Foto: Bernd Kittendorf

Tagsüber halten da die Reisebusse des SEV für DB Fernverkehr in Richtung Frankfurt Flughafen. Irritieren dürfte die Formulierung „Hinweis: für Riedbahn-Ersatzverkehr auf den Fahrplan achten. I.d.R. tagsüber verkehren Busse erst ab MA-Luzenberg.“ in der PDF mit der Wegeleitung (aktuell mindestens zwei Versionen online). Busse für DB Fernverkehr sind irgendwie doch nicht Riedbahn-Ersatzverkehr?

Ein Busfahrer verwendete einen Begriff dafür, wieso die Planungen angesichts der Erfahrungen mit dem SEV aus dem Januar 2024 immer noch keine barrierefreie Nutzbarkeit brachten: „Beratungsresistenz“.

Für die Organisationen der Menschen mit Behinderungen landauf, landab ergibt sich die Frage, was zu tun ist. Vermutlich wird der Riedbahn-Ersatzverkehr wie angekündigt als Blaupause für andere solcher Generalsanierungen verwendet. Wenn man auch dort die Kommunen und die örtlichen Verkehrsbetriebe nach geeigneten Haltestellen für den SEV fragt und sich auf dieses Votum verläßt, wird es so wie in den beiden Beispielen ausgehen (falls nicht irgendwelche glücklichen Umstände das verhindern; wieso sollte es dazu kommen?). Unserem Deutschland wurde im Staatenbericht zur UN-Behindertenrechtskonvention bescheinigt, es gäbe einen weitverbreiteten Mangel an Barrierefreiheit des ÖPNV. Interessieren tut das bei DB und Verkehrsbetrieben und auch der Politik in Bund, Land und Kommunen letztlich nicht genug und ohne verpflichtende Vorgaben wird sich nichts ändern. Dann werden Fahrgastunterstände bestellt, die Menschen im Rollstuhl nicht nutzen können. Dann wird an ‚Haltestellen‘ gehalten, für die sich ansonsten keiner interessiert und die folglich für Barrierefreiheit nichts beitragen. Es ist ein Irrglaube anzunehmen, kommunale Nahverkehrspläne könnten da etwas bewirken.

Dergleichen Situationen im SEV werden nur zu gern als Ausnahmesituation abgetan. Nach den mehreren Monaten mit Ausfall der Züge ist auch bei sanierten Strecken immer wieder mal mit Störungen zu rechnen. Und da wären barrierefrei ausgebaute Haltestellen etwas, was barrierefreie Reiseketten nicht immer wieder aus Anlaß des SEV brechen ließe.

Damit nicht genug: bei der DB gibt es folgende Meldungen zum gleichen Sachverhalt zu lesen: „Ersatzverkehr an der Riedbahn ist reibungslos angelaufen“ und „Ersatzverkehr mit Beginn der Bauarbeiten an der Riedbahn wie geplant gestartet • 150 Busse fahren auf allen zwölf Linien pünktlich • Erste Welle an Pendler:innen verlässlich durch den Berufsverkehr gekommen • Projektleiter Felix Thielmann: „Die intensive Vorbereitung zahlt sich aus.““.
(siehe https://www.deutschebahn.com/de/presse/pressestart_zentrales_uebersicht/Ersatzverkehr-an-der-Riedbahn-ist-reibungslos-angelaufen-12980036). Zahlt sie sich für ihn oder auch für die Menschen im Rollstuhl und andere Mobilitätseingeschränkte aus?

Die Sache mit den Rollstühlen & Co liest sich dort so „… 150 barrierefreie Gelenk- und Überlandbusse …“. Ohne geeignete Haltestellen wird das nichts mit der Barrierefreiheit. Fehlende Aufkleber und keine vom Rollstuhlplatz aus ablesbaren Displays sind Eigenschaften einiger dieser ‚barrierefreien‘ neuen Busse. Angesprochen hatte ich das einst in Berlin bei Zukunft Nahverkehr, doch bewirkt hat das nichts. Außer, daß manche Gesprächspartner rege Notizen gemacht hatten. Doch wozu, wenn keine Umsetzung folgt?“