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Schriftliche Stellungnahme zu den Mireo-Fahrzeugen, Teil 2 – HTML-Text

Datum: 15.02.2021

Antwort auf Ihr Schreiben vom 11.12.2020

 

Sehr geehrter Herr Minister Hermann,

sehr geehrter Herr Dr. Lahl,

für Ihr Schreiben vom 11. Dezember 2020 danken wir Ihnen.

Unseren Vorwurf zur nicht ausreichenden Beteiligung und in der Folge zu Mängeln bei der barrierefreien Nutzbarkeit bei den neuen Mireo-Triebzügen müssen wir an dieser Stelle dennoch bekräftigen.

Barrierefreie Nutzbarkeit bedeutet: Ohne fremde Hilfe. Dies wiederum ergibt sich aus einer Vielzahl von Eigenschaften und deren Abhängigkeiten untereinander. Um Barrierefreiheit in der Praxis zu erreichen, ist die Beteiligung an der Erstellung eines allgemeinen Lastenheftes nur ein allererster Schritt. Mehr nicht.

Der wiederholte Hinweis auf die Einhaltung der Norm TSI PRM in Ihrer Antwort bringt  Betroffenen herzlich wenig, wenn die Züge dennoch nicht, nur schwer oder auch nur in Begleitung nutzbar sind. Wir erkennen in Ihrem Schreiben insofern den Versuch einer Rechtfertigung, die jedoch für uns, die wir zwingend auf Barrierefreiheit angewiesen sind, leider ohne jeglichen praktischen Nutzen bleibt. Hausintern mag das ausreichen. Auch der Hinweis auf eine möglicherweise bessere Fahrzeuggeneration ist Augenwischerei.

Die TSI PRM definiert EU-weit ein Minimum. Manche ganz essentiellen Aspekte für Barrierefreiheit wie der Niveaugleiche Einstieg, werden zwar definiert, nicht aber gefordert. Nur so konnten beispielsweise wieder ICE-Züge bestellt werden, die für Menschen im Rollstuhl nur mit Lift zugänglich werden und trotzdem als normkonform gelten. Solch ein Vorgehen sollte nicht als Vorbild dienen. Für wirkliche Barrierefreiheit ist mehr im Auge zu behalten, auch über das Abhaken von aufgelisteten Eigenschaften. Daran hat es gefehlt – und fehlt weiter.

Ein WC in der Nähe – zweifellos nicht unpraktisch – heißt nicht, dass der Blick auf eine Toilette oder deren Geruch zwangsläufig im Sinne der Betroffenen sind. Es gibt Züge mit dem WC in der Nähe ohne direkten Blick auf dessen Tür. Stufenlose Durchgänge von Plätzen für Behinderte – Vorrangsitze genannt – zu einem WC wären sicherlich sinnvoll. Selbst das wurde übersehen – und steht tatsächlich nicht in der Norm.

Relativieren ist einfach, wenn man selbst nicht betroffen ist. Sie schreiben, der Rollstuhl-Einstieg im Mittelbereich sei in anderen Regionen üblich und größere Probleme hinsichtlich der Zugänglichkeit seinen nicht bekannt. Genau dies aber wurde bereits bei der ersten Fahrt eines unserer Mitstreiter zum Problem für ihn: trotz Bedienung des Tasters wegen nur teilweise ausgefahrenem Schiebetritt bei großem Spalt blieb er auf dem Bahnsteig zurück. Die Antwort auf seine Beschwerde steht seit sechs Wochen aus. Auf der fraglichen Strecke kommt es nicht einmal zum gemischten Einsatz mit den bisherigen Zügen.

Wir erwarten, hoffentlich nicht zu Unrecht, dass sich die Politik im Land aktiv um mehr Barrierefreiheit bemüht. Allein auf die TSI PRM und Zulassungsverfahren abstellen ist dabei zu dünn. Ohne wirkliche Beteiligung der Betroffenen wird das nicht besser.

Organisationen der Behinderten bezüglich konkreter Forderungen zu Fahrzeugen auf die Industrie zu verweisen, spricht dafür, wie wenig Ihre Mitarbeiter mit der Problematik umgehen können. Als Nicht-Kunden weitergehende Forderungen an die Fahrzeugindustrie zu adressieren, so wie Sie vorschlagen, wird selbstverständlich nichts bewirken. Schließlich ist der Auftragnehmer verpflichtet, sich nach den Vorgaben des Auftraggebers zu richten. In diesem Fall sind das die NVBW oder die DB, aber bestimmt nicht wir. Wir sollen prophylaktisch mit diversen Herstellern sprechen und Ihre Leute bestellen etwas anderes, was wäre da erreicht?

Danke für Ihre Zusage, die Kommunikation in Zukunft umfangreicher zu gestalten. Ein Vorgehen wie bisher, nämlich die bloße Beteiligung eines Fahrgastbeirates, in dem unter anderem auch einige Menschen mit Behinderungen Mitglied sind, halten wir bezogen auf die Herstellung von Barrierefreiheit für nicht aussagekräftig und daher auch nicht ausreichend.

Einen Fahrgastbeirat zu fragen ersetzt nicht die Vielzahl an Perspektiven und Anregungen durch die Beteiligung verschiedenster Organisationen von und für Menschen mit Behinderung. Das sind einerseits überregionale, auf bestimmte Fachgebiete spezialisierte, und andererseits regional (also im geplanten Einsatzgebiet) tätige Organisationen.

Dieses Schreiben geben wir den Beauftragten der Belange von Menschen mit Behinderung folgender Städte/Kreise zur Kenntnis: Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Rhein-Neckar-Kreis, Kreis Bergstraße, ebenso der Presse.

Mit freundlichen Grüßen

Vorstand und Geschäftsführung der AG Barrierefreiheit